Deutscher Qualitätsjournalismus bei Monitor

Sehr schön! Lars Winkelsdorf schreibt an den Redakteur von Monitor, wegen der mehr als peinlichen Berichterstattung (aka versuchter Enthüllungsjournalismus für blutige Anfänger und Journalismus-Volontäre). Der Titel dieses mißglückten Journalistenstreiches: „Kalaschnikow per Mausklick: Wie Rechtsextreme und Waffennarren sich im Internet ganz legal mit ehemaligen Kriegswaffen versorgen können.“

Die Journalisten, die diesen Beitrag recherchierten und verfassten, haben sich gründlich blamiert. Oberflächlich recherchiert, unnötig dramatisiert und Auslassung von Fakten. Nur dumm, daß die meisten Fernsehzuschauer das gar nicht mitbekommen.

Danke an Herrn Winkelsdorf, für die Erlaubnis, seinen Beitrag in voller Länge zu zitieren.

Lars Winkelsdorf zeigt hier wie echter, seriöser Journalismus geht:

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Quelle: http://www.wdr.de/phorum/live/active/read.php?83,141604658

Sehr geehrter Herr Restle,

ich erlaube mir einige Anmerkungen zu den Darstellungen der Redaktion MONITOR. Da auf mein Gesprächsangebot bedauerlicherweise nicht eingegangen wurde, positioniere ich mich somit nun öffentlich in Ihrem Forum.

Zitat: „Liebe Forumsteilnehmer,

zugegeben: Mit Unbehagen nehme ich zur Kenntnis, dass einige hier im Forum das Tragen einer Waffe offenbar als demokratisches Grundrecht für jedermann begreifen. Andere empfehlen, die US-Gesetze zum privaten Waffengebrauch gleich für Deutschland zu übernehmen. Ganz ehrlich: Ich bin da entschieden anderer Meinung. Je mehr Waffen sich im Besitz von Privatpersonen (und ich rede hier nicht von Sportschützen und Jägern!) befinden, umso höher das Risiko, dass Menschen durch diese Waffen zu Schaden kommen. Die in den USA weit verbreitete Vorstellung von schusswaffenbewehrter Selbstjustiz ist mir jedenfalls zutiefst zuwider. Dies als Vorbemerkung.“

Mir ist nicht ersichtlich, in welchem Zusammenhang diese Vorbemerkung zum ausgestrahlten Beitrag stehen soll. Es gibt einen konkreten Konflikt um inhaltliche Fragestellungen, die mit Selbstjustiz, dem Tragen einer Waffe oder Meinungen diesbezüglich nicht das Geringste zu tun haben. Von daher erachte ich eine Diskussion über diese Fragestellungen, zumal wir im Kern der Sache gleicher Meinung sind, als überflüssig.

Zitat: „Nun nochmals zu einigen Kritikpunkten im Detail, um die Diskussion zu versachlichen:

1.) Interne Richtlinien oder Anhänge zu Gesetzen entfalten keinerlei Außenwirkung. Von daher ist eine Rechtsverordnung auf Basis des Waffengesetzes die einzige gesetzliche Möglichkeit, Kriterien festzulegen, die konkret und allgemeinverbindlich regeln, ab wann eine sog. Deko-Waffe als unschädlich zu begreifen ist. Auch wenn hier immer wieder das Gegenteil behauptet wird, es wird dadurch nicht richtiger. Der Gesetzgebungsbedarf an dieser Stelle wird von keinem vernünftigen Menschen bestritten – auch deshalb wurde ja das Waffengesetz geändert. Eine solche Verordnung würde übrigens auch nicht dazu führen, dass Sportschützen ihrem Hobby oder Jäger ihrem Beruf nicht mehr nachgehen können.“

Dies ist sachlich falsch, wie ausweislich der mit Herrn Rainer Hofius geführten Interviews und aus den Hintergrundrecherchen bei der Redaktion VISIER in der Redaktion MONITOR auch vor Ausstrahlung des Beitrages bekannt gewesen ist. Die Frage ist lediglich, ob Sie als Redaktionsleiter hierüber informiert wurden. Die Kriterien einer Unbrauchbarmachung von Schusswaffen aber sind ausführlich im Waffengesetz beschrieben, siehe Abschnitt 1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG.

Dies hat nichts mit einem Konflikt mit Waffenlobbyisten zu tun, wie Sie bezogen auf Sportschützen und Jäger zu meinen glauben, vielmehr geht es bei diesem Konflikt um die eigentlichen Nutzer solcher Deko-Abänderungen, nur beispielhaft sind hierzu ausdrücklich Museen genannt oder auch Waffenmeister für Filmproduktionen. Anders formuliert: Mit seiner eigenen rechtspolitischen Positionierung macht der WDR die hauseigenen Tatort-Produktionen komplizierter, teurer und rechtlich problematisch, würde ein wie im Beitrag gefordertes Gesetz erschaffen. Dies nur zur Tragweite eigener Betroffenheit des WDR.

Deko-Änderungen sind grundsätzlich dergestalt, dass eine Rückbaufähigkeit der Waffe mit entsprechend erhältlichem Werkzeug nicht mehr möglich sind und der Aufwand höher wäre als bei einer vollständigen Neufertigung. Solche Neufertigungen jedoch erfordern kein Diplom in Nuklearphysik – wie auch in meiner Stellungnahme für den Innenausschuss des Deutschen Bundestages vorgetragen – es werden solche Waffen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet von Menschen gefertigt, die niemals eine Schule von innen gesehen haben und nicht wissen, was Fließend-Wasser aus einem Wasserhahn bedeutet. Mehr noch, selbst in Warschau war den Widerstandkämpfern eine umfangreiche Eigenfertigung von Handgranaten, Kampfmitteln und Maschinenwaffen im Untergrund möglich, obwohl die Truppen der Nazis dies vehement zu unterbinden versuchten. Schulwissen reicht also fraglos für die Fertigung einer Maschinenwaffe aus.

Es geht also nicht um die Frage, ob ein Rückbau für einen technisch versierten Maschinenbau-Ingenieur möglich wäre unter Zuhilfenahme von komplexen Maschinen, sondern ob dies für den Laien möglich ist. Und hier muss attestiert werden, dass diese Anforderungen jeden Normalbürger massiv überfordern würden.

Zitat: „2.) Um die Gefährlichkeit dieser Waffen zu beurteilen, ist zu differenzieren: Handelt es sich um eine schussfähige Kriegswaffe, unterliegt sie dem Waffenrecht und ist damit in den Händen von Privatpersonen schlicht illegal. Handelt es sich um eine demilitarisierte Deko-Waffe, bleibt die Frage, mit welchem Aufwand diese wieder schussfähig gemacht werden kann. Hierum kreist der größte Teil der Debatte hier. Nie haben wir behauptet, dass unbedarfte Laien ohne entsprechende Kenntnis dazu in der Lage sind. Allerdings gibt es in Deutschland offenbar genügend „Fachleute“, die darüber verfügen; anders wären die im Bericht angesprochenen Razzienfunde wohl kaum zu erklären. In diesen Fällen war der Umbau vormals demiltarisierter Kriegswaffen offensichtlich naheliegender (oder einfacher) als der illegale Erwerb einer schussfähigen Kriegswaffe. Auf diese Tatsache hinzuweisen, halten wir für unsere journalistische Pflicht. Dass es darüber hinaus auch andere Möglichkeiten gibt, illegal in den Besitz von (Kriegs-)Waffen zu kommen, verringert das Problem in unseren Augen keineswegs. Im Gegenteil!“

Dies zeugt von einer nur oberflächlichen Recherche, tatsächlich ist in der Bundesrepublik Deutschland Privatpersonen sogar der Besitz von Kernwaffen rechtlich gestattet, sofern die hierfür erforderlichen Auflagen erfüllt werden. Der Privatbesitz von Kriegswaffen als Handwaffen unterliegt sowohl den Bestimmungen des WaffG als auch des KrWaffKontrG, ist aber problemlos möglich – wie die bereits beispielhaft genannten Tatort-Produktionen des WDR eindrucksvoll zu belegen vermögen.

Tatsächlich hat die Redaktion behauptet, dass ein Rückbau einer Deko-Kriegswaffe in eine erlaubnispflichtige Kriegswaffe gerade auch dem Laien problemlos möglich sei. Die von Ihnen dabei angesprochenen „Razzienfunde“ blieben Sie jedoch schuldig: Einerseits bestätigten Ihre Interviewpartner teilweise ausdrücklich, dass es derartige Fälle gar nicht, so gut wie gar nicht oder in nicht nennenswerter Stückzahl gegeben habe. Herrn Oberstaatsanwalt Hofius war für das ganze Bundesland Rheinland-Pfalz überhaupt nur ein Fall aus den letzten Jahren erinnerlich. Andererseits wird hierbei auch nicht unterschieden zwischen tatsächlichen Verstößen durch vorsätzliche Straftaten und schlicht fehlerhafte Abänderungen als Fahrlässigkeitsdelikte, beispielsweise durch zu geringe Härte eines Stahlstiftes nach Rockwell, denn bereits dies führt de facto auch bei Vorliegen einer technischen Unbrauchbarkeit zu einer Strafbarkeit. Und gerade letztere Fälle sind es, die mit einem überwältigenden Anteil in juristische Erscheinung treten.

Es gab solche Rückbauten und es existieren auch Sicherstellungen, diese beziehen sich jedoch auf Deko-Waffen, die vor 2003 als „Teilesätze“, also lediglich Einzelteile, in den Handel gelangten. Wie sehr hier die Problematik von MONITOR verfehlt wurde, zeigen die Funde von einer Maschinenpistole Cz 23 und einer MP Pleter im Besitz der NSU-Terroristen Mundlos und Böhnhardt auf, ebenfalls wurde in Niedersachsen ein solcher Umbau bei Rechtsextremisten sichergestellt, eine kroatische MP ZAGI. Es ist als nahezu selbstverständlich zu bezeichnen, dass genau diese Funde in dem besagten Beitrag hätten vorgestellt werden müssen, ob man die artikulierte Meinung nun teilt oder nicht. Allen diesen Waffen gemein ist, dass diese nicht nach 2003 in den Handel gerieten und nicht nach den geltenden Kriterien abgeändert worden waren. Mithin war das angesprochene Problem bereits vor neun Jahren gelöst worden, dessen Ursachen fortgesetzte Wirkung zeigen, die jedoch mit der aktuellen Problemstellung einer Regelungslücke, die eher rechtstheoretischer Natur ist, nichts gemeinsam hat.

Zitat: „3.) Interessant (und beängstigend) in diesem Zusammenhang bleibt, dass Anbieter, Käufer und Menschen mit genügend Know How (und möglicherweise auch krimineller Energie) auffallend oft aus dem rechtsextremistischen Milieu kommen. Auch dies ist unbestritten (Quellen: Verfassungsschutzberichte, diverse Ermittlungsverfahren). Wer diesen Zusammenhang negiert, verharmlost das Problem und muss sich fragen lassen, ob er Kriegswaffen in den Händen von Neonazis wirklich für wünschenswert hält.“

Dies habe ich bereits zu Zeiten thematisiert, wo sich niemand ernsthaft mit dieser Problematik beschäftigte, von daher erachte ich eine solche Frage als vollständig überflüssig, zumal auch kein Verfassungsschutzbericht existiert, der eine solche Problematik einer Konvertierung von Deko-Waffen jemals thematisiert hätte. Selbst im Papier von 2004 ist dies ausdrücklich nicht ausgeführt, wohl aber die nach wie vor bestehende Problematik einer Einwirkung von Diensten auf Behörden, um Rechtsextremisten mit waffenrechtlichen Erlaubnissen zu versorgen, die diese nach dem Gesetz nicht haben dürften.

Mir erschließt sich also in diesem Zusammenhang die Quellenlage der Redaktion nicht und ich erlaube mir, dieser ausdrücklich zu widersprechen.

Zitat: „4.) Die Heftigkeit, mit der auf unseren Bericht reagiert wird, überrascht uns nicht. Wann immer in Deutschland über strengere Waffengesetze berichtet wird, fühlen sich offenbar einige Waffenliebhaber auf den Schlips getreten. Wir können Ihnen versichern: Die im Bericht dargestellten Fakten sind in der Redaktion mehrfach überprüft worden. Wer uns unseriösen Journalismus vorwirft, hält offenbar auch Rainer Hofius, Oberstaatsanwalt in Mainz und einer der unbestrittenen Kenner der Materie, die Experten der Landeskriminalämter, die Vertreter der Polizeiverbände und viele andere mehr für unkundige Laien, die nicht wissen, worüber sie reden.“

Herr Oberstaatsanwalt Hofius hat in einem heute geführten Interview diesen Darstellungen ausdrücklich widersprochen, mir ist ebenfalls bekannt, dass er meine Person ausdrücklich der Redaktion Monitor empfohlen hat, wie auch Herrn Sascha Braun und in diesem Zusammenhang vor den bestehenden Schwächen des besagten Beitrages überaus deutlich warnte. Eine Sichtung Ihres Rohmaterials dieses dreistündigen Interviews sollte dies aufzuzeigen vermögen.

Nach meiner Kenntnis kritisierte die GdP auch konkret das Drohpotential von Deko-Waffen und weniger die Rückbaufähigkeit. Weiterhin wurde ja von kriminalpolizeilichen Sachverständigen anderer Bundesländer die stattgefundene Berichterstattung auch gegenüber der Redaktion MONITOR massiv kritisiert und gegenüber der dpa teilweise sogar von Landesbehörden ausdrücklich den Darstellungen von MONITOR widersprochen.

Die von Ihnen beschriebenen „unkundigen Laien“ haben diesen Beitrag geschaffen und mit bedauerlichen Laienantinomien einen öffentlichen Handlungsbedarf artikuliert, der lediglich einer rechtstheoretischen Natur ist, weil hinreichende Auffangtatbestände existieren. Es wäre sichtlich besser gewesen, hier intensiver geprüft zu haben.

Zitat: „Wir hoffen, damit einige Missverständnisse ausgeräumt zu haben, und freuen uns auch weiterhin über eine rege und sachliche Diskussion hier im Forum.

Georg Restle
Redaktionsleiter
MONITOR“

Kritisiert wird von mir die Tatsache, dass durch eine fehlerhafte Berichterstattung ein Handlungsbedarf artikuliert wird, der dringend notwendige Änderungen in anderen Gebieten des Waffenrechts an die Seite schiebt. Es wird Raum genommen und eine Problemstellung rechtspolitisch thematisiert, deren Potential besser zum Schutz von Menschenleben genutzt würde. Mehr als 3000 Todesopfer seit 1990 sowie zehntausende Verletzte und Traumatisierte zeigen deutlich einen bestehenden Handlungsbedarf eben hierauf bezogen auf.

Wann konkret also wird eine solche fehlerhafte Berichterstattung kritikwürdig, bei einem Todesopfer? Bei zehn? Bei Hundert? Was muss noch passieren, damit Redaktionen sich die Mühe machen und intensiv in das Thema einarbeiten, um die wirklichen Probleme darstellen zu können und den tatsächlichen Handlungsbedarf abzubilden?

Sind die Opfer, die allein in der Woche der Ausstrahlung in Köln und Berlin niedergeschossen wurden, tatsächlich so wenig wert, dass das rein rechtstheoretische Problem der Deko-Waffen vordringlich behandelt werden muss?

Hunderte Menschen kamen in den vergangenen Jahren ums Leben und diese Todesfälle hätten verhindert werden können, hätte nicht medial und politisch eine fehlerhafte Diskussion den Raum genommen, um diese Menschenleben retten zu können. Und der wirklich wichtige Beitrag, den die Redaktion MONITOR daran hätte leisten können, wurde nicht erreicht. Statt die lediglich peripheren Beschaffungswege für mögliche Rohmaterialien aus Altbeständen aufzuzeigen und bestenfalls Marginalien zu erörtern wäre es wichtiger gewesen, hier hinreichend in die Tiefe zu gehen und das Problem der Illegalität selbst stärker zu thematisieren.

Alle anwesenden Sachverständigen der Innenausschussanhörung waren sich in eben diesem Punkt einig und es ist mehr als bedauerlich, dass die Staatsanwaltschaft in Mainz, die Gewerkschaft der Polizei, der Jagdschutzverband, der Schützenbund sowie ein Landesjagdverband und meine Wenigkeit für die Redaktion immer noch nicht überzeugend genug gewesen sind, die drängenden rechtspolitischen und gesellschaftlichen Problemstellungen beim Waffenmissbrauch aufzugreifen.

Abgesehen davon wäre es im Fall von Heiko Z. vermutlich angemessen, die Redaktion würde sich beim Betroffenen für die Verleumdungen als „Neonazi“ entschuldigen, die Faktenlage widerspricht MONITOR doch bemerkenswert deutlich. Und dabei geht es nicht alleine um die im Beitrag unterschwellig erhobenen Vorwürfe sondern gerade auch um Mitteilungen gegenüber Dritten durch die Redaktion MONITOR. Sie wollen nicht fälschlich als Neonazi bezeichnet werden, ich will dieses nicht und ich denke, dass wir uns darin einig sind, dass dieses Recht auch Herrn Heiko Z. fraglos zusteht.

Beste Grüße

Lars Winkelsdorf

4 Kommentare zu „Deutscher Qualitätsjournalismus bei Monitor“

  1. Könntest Du das auch noch auf die Facebookpräsenz von Monitor setzen? Ich wurde da ja namentlich erwähnt und will es deshalb nicht selbst machen, so würde gezeigt, dass nicht immer nur die gleichen Leute posten 🙂

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