Provokateure in Flecktarn

… titelt die „Süddeutsche Zeitung“.

http://www.sueddeutsche.de/politik/usa-provokateure-in-flecktarn-1.2605510

Der Bericht ist wieder mal eine Glanzleistung des deutschen Qualitätsjournalismus (für die Leute, deren Ironiedetektor genau so kaputt ist wie meiner – das war Ironie!)

Wer sich mit den „amerikanischen Zuständen“ ein bisschen auskennt, der weiß, daß diese „obskuren“ Milizionäre nur ihre verfassungsgemäßen Rechte und Pflichten wahrnehmen und, daß sie vor allem die Verfassung der USA ganz besonders ernst nehmen. (Wir würden radikale Grundrechts-Schützer dazu sagen).

Die Oathkeepers sind ausschließlich Polizisten, Soldaten, Feuerwehrleute, Veteranen und andere Menschen, die im Staatsdienst einen Eid auf die Verfassung abgelegt haben und sich im Privatleben und im Dienst streng daran halten. Man kann sich kaum gesetzestreuere Menschen vorstellen. Nazis und Rassisten wird man in den Reihen der Oathkeepers eher nicht finden, dafür aber tatsächlich gelegentlich auch „Persons of Color“. Also Mitglieder von ethnischen Minderheiten. Der größte Anteil der US-Bevölkerung ist „weiß“, deshalb spieglt sich das Verhältnis auch in der Mitgliedschaft der Oathkeepers wieder.

Dem US-Staatsapparat und den Behörden sind die Oathkeepers deswegen suspekt, weil diese ein Auge auf die Aktionen des Staates und seiner Organe haben und alle Verstöße gegen die Verfassung und bürgerlichen Grundrechte (wovon es eine erkleckliche Menge gibt) beobachten und dokumentieren.

In den USA ist der Bürger der Staat, der Souverän – so wie es bei uns auch sein sollte. Das äußert sich z.B. darin, daß es der Bürgerschaft jederzeit möglich ist, einen unfähigen, dummen oder korrupten Politiker durch Votum aus dem Amt zu entfernen (etwas was ich mir für Deutschland sehr wünschen würde). Jeder Bundesstaat ist von Washington unabhängig (ähnlich wie die Staaten der EU) und hat eine eigene Miliz (die National Guard). Trotzdem gilt dazu das 2nd Amendment, das jedem Bürger erlaubt eine Waffe zu besitzen und zu tragen – etwas, was von staatlicher Seite heftig bekämpft wird. Dazu gibt es ein schönes Video, in dem erklärt wird, wie die Gründerväter es verstanden haben. Das geht auch eindeutig aus den Kommentaren zur Constitution hervor.

Jetzt regen sich die – mit dem US-Recht nicht vertrauten – deutschen Kommentatoren auf, wie sich Privatleute und irreguläre Milizionäre anmaßen können, auf der Straße offen Waffen zu tragen. Da hilft z.B. das Waffengesetz von Missouri weiter: https://en.wikipedia.org/wiki/Gun_laws_in_Missouri

Der entsetzte Deutsche kann daraus lesen, daß in Missouri die Behörden keinerlei Registrierungszwang wie in Deutschland kennen, daß Waffen dort von jedem unbescholtenen, volljährigen Bürger (schwarz, weiß, gelb, lila) gekauft und besessen werden dürfen – übrigens, ohne den FBI Background Check geht in den USA sowieso wenig. Und, daß Waffen offen getragen werden dürfen. Missouri ist einer der wenigen US-Bundesstaaten in denen es keine Restriktionen bezüglich vollautomatischer Waffen in Bürgerhand gibt. Es existiert sogar eine Regelung, die es an Waffen ausgebildeten Lehrern erlaubt, ihre Waffen in der Schule zu tragen, was, meiner unbescheidenen Meinung nach, einen potenziellen Amokläufer dazu bringen wird, sich ein leichteres Ziel zu suchen.

Was die Oathkeepers machen und was nicht in dem Artikel steht:

Sie schützen nicht etwa exklusiv die Viertel der Weißen, sondern sie schützen die Häuser und Geschäfte aller Bürger in Ferguson – egal ob die Besitzer schwarz oder weiß sind. Die Inhaber der kleinen Geschäfte – meistens Schwarze – finden jedenfalls die Professionalität und die Verfassungstreue der Milizionäre  sehr gut.

Auch spielen sie sich nicht als privater, elitärer Sicherheitsdienst für eine wohlhabende Minderheit auf, sondern sie schützen die Interessen und das Eigentum von Bürgern gegen Personen, die sich einen Spaß draus machen, zu brandschatzen und zu plündern um ihre Empörung gegenüber einer als repressiv empfundenen Staatsmacht auszudrücken. Die Empörung ist echt und durchaus gerechtfertigt – die Gewalt, ausgeübt gegen (nicht selten auch schwarze) Nachbaren ist es nicht.

Die Oathkeepers haben angeblich ein seltsames „Staatsverständnis“
Nach deutschen, obrigkeitshörigen, Kriterien mag das absolut zutreffen. Die Gründerväter der USA und Autoren der Verfassung waren der Meinung, daß man jeder Regierung genau auf die Finger sehen müsste, da man immer davon ausgehen kann, daß eine Regierung früher oder später korrupt und machtlüstern werden würde. Wer sich die Außenpolitik der USA ansieht, der wird dem nicht widersprechen können. Die Oathkeepers sehen sich als Grundrechtsbewahrer im eigenen Land und das zeigt auch die Liste mit den 10 Befehlen, die ein Mitglied der Oathkeepers als unkonstitutionell ansieht und nicht ausführen wird – auch wenn sie von einem Vorgesetzten kommt.

Den Oathkeepers gehen die permanenten Übergriffe und Gesetzesverstöße der US-Behörden gegenüber den Bürgern auf die Senkel. Vor allem der Mißbrauch der Privilegien, die das Machtmonopol mit sich bringt, ist in den USA offenkundig. Die Polizei (und die Gesetze) dürfen nicht gegen die Verfassung verstoßen – tun es aber, nicht selten auf Weisung von „oben“, viel zu oft. Wie bei uns sind Soldaten und Polizisten „Staatsbürger in Uniform“. Eigentlich wird selberdenken verlangt, trotzdem wird häufig ohne Nachdenken auf den Einsatzbefehl reagiert, statt erst darüber nachgedacht, ob der Befehl legitim und mit den geltenden Gesetzen im Einklang ist.

Um sich eine eigene Meinung zu bilden, sollte man sich unbedingt unterschiedliche Quellen mit unterschiedlichen Standpunkten zu Gemüte führen. Nur so kann man wirklich beurteilen, ob das, was man von den meist staatshörigen Mainstream-Medien vorgesetzt bekommt, wirklich wahr ist. Auch das, was hier verlinkt ist, könnte PR und Meinungsmache sein. Trotzdem sollte man sich die andere Seite anhören:

Oath Keepers In Ferguson The truth behind the lies

Wie auch bei uns sind die Medien und Journalisten weitgehend eher „links“ eingestellt (in Deutschland hat die Mehrzahl aller Journalisten eine rot-grüne Einstellung, was sich auch in der Tendenz der Medien niederschlägt). Entsprechend gefärbt sind die Ansichten und Meinungen. Die Oathkeepers werden gerne in die rechte Ecke gestellt, weil vielen Journalisten das Konzept der „Freiheit“ ziemlich fremd ist.

Weitere Quellen:

http://www.americanthinker.com/articles/2010/08/the_oath_keeper_villain_or_val.html

http://www.policemag.com/channel/patrol/articles/2013/04/who-are-the-oath-keepers.aspx

http://bearingarms.com/the-truth-about-the-oath-keepers/

Witness The 2nd Amendment In Action On The Streets Of Riot Plagued Ferguson. (Ja, ich weiß – Alex Jones. Aber Journalismus gemischt mit Aktivismus ist bei uns inzwischen genau so häufig. Daran müssen wir uns wohl gewöhnen und lernen zwischen den Zeilen zu lesen.)

 

7 Kommentare zu „Provokateure in Flecktarn“

  1. „… Das äußert sich z.B. darin, daß es der Bürgerschaft jederzeit möglich ist, einen unfähigen, dummen oder korrupten Politiker durch Votum aus dem Amt zu entfernen (etwas was ich mir für Deutschland sehr wünschen würde) …“

    Tja, wäre das so in ’schland möglich, dann wäre wohl der halbe Bundestag und die Hälfte aller BundesrätlerInnen (schreibt man das aktuell so?) wohl weg vom Fenster – was wohl kaum einer als Verlust empfinden dürfte.

    Hier im Land passiert aber das genaue Gegenteil (Volksabstimmungen gibt es auch nicht!) und der Michel staunt, wenn ungenehme Parteien Asylbewerberheime untersuchen möchten, oder Gruppierungen patroulieren und, ähnlich der selbsternannten Scharia-Polizei, U-Bahnen begehen.

    Wenn der Staat versagt, fängt der Souverän an, sich selbst zu helfen. Das war schon immer so – und wird einem in diesem Land besonders schwer gemacht.

    Keine gute Entwicklung, in jeder Hinsicht
    – aber ohne Druck kein Gegendruck …

  2. Ich vermute zwar, dass SZ-Autor Nicolas Richter noch weniger genau als seine Washington-Post-Kolleginnen weiß, was Flecktarn ist und was nicht, aber als Jurist mit etwas Rechercheerfahrung müsste er inzwischen ausreichend mit US-Recht vertraut sein. Ich gehe deshalb von Vorsatz aus. Und solche Bilder

    bekommt die desinformierte SZ-Leserschaft natürlich nicht mitgeliefert, sie würde die Person auf der rechten Bildseite ohnehin für ein Opfer des „gewaltbereiten“ Weißen halten.

    1. Tja – das passt aber nicht zum Narrativ. Die Schwarzen sind die armen zu bedauernden Opfer und die Weißen sind die faschistischen Täter. So wird das in der Öffentlichkeit verbreitet. So ein journalistisches Schwarz-Weiß-Bild (pun intended) funktioniert bei einem Großteil der Medienkonsumenten. Das ist aber eine grobe Vereinfachung, die mit der Realität halt nicht viel zu tun hat bzw. sogar grundfalsch ist, weil sie auf Klischees beruht.

      Wo kämen wir als „Hilfsorganisation“ dann hin, wenn unser Narrativ nicht mehr funktioniert? Keine Spenden, keine staatlichen Unterstützungsgelder und die ganzen PR-Ausgaben wären auch wieder für die Katz‘. Das funktioniert nur so lange, wie auf den Status des hilflosen Opfers gebaut werden kann.

      Derzeit erzählen die Oathkeepers den Leuten, was es mit dem 2nd Amendment und dem regionalen Waffengesetz auf sich hat, und daß das auch auch für schwarze Bürger ohne Vorstrafen gilt – nicht nur für „privilegierte Weiße“. Das kann einem repressiven Staat natürlich nicht recht sein und einer Opfer-Vertretung, die sich auf das Bild des armen, wehr- und schutzlosen Underdogs eingeschossen hat, noch weniger.

  3. Hmm, wenn hier schon auf Bob Owens verlinkt wird, dann sollte man doch bitte auch erwähnen, dass er selbst und andere diese Truppe (zum jetzigen Zeitpunkt) für eine unnötige Provokation und Kontraproduktiv für die Sache halten. Aufgemerkt, ein libertärer Blogger und unsere Mainstreammedien gehen d’accord. Scheint also wohl doch was dran zu sein, wenngleich die Motivationen völlig unterschiedliche sind.

    http://bearingarms.com/oath-keepers-go-home/

    1. Niemand sagt, daß da alle Leute die gleiche Meinung dazu haben müssen. Es gibt libertäre Blogger, die für die Oathkeepers sind und welche die gegen so einen Einsatz sind. Beide haben gute Begründungen für ihre Meinung.

      Die Oathkeepers haben durchaus auch Mitglieder, deren Motivation man als recht zweifelhaft ansehen kann.

      Hier im Blog ist nur eine Sichtweise beschrieben, sowie die Aufforderung, sich selbst zu informieren und dabei unterschiedliche Quellen zu nutzen.

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